theminigolffamily

Eine moderne Soap-Opera um eine junge Großstadtfamilie, die sich ganz und gar einer elitären und unterschätzten Sportart verschrieben hat. Rund um den Lebensmittelpunkt Minigolf erleben die vier Hauptcharaktere Vater, Mutter, Tochter und Sohn den ganz normalen Wahnsinn des 21. Jahrhunderts.


Montag, 14. April 2008

1.1 Das Schattenspiel

Ort: Vienna Minigolf City, Parkanlage jenseits des Kanals
Zeit: Samstag, 4. August 2007, ca. 18.30 Uhr

In der Abenddämmerung treffen sich die vier Familien- bzw. Teammitglieder an einer exponiert gelegenen U-Bahnstation am Rande einer weitläufigen, üppig begrünten Parkanlage. Molle trifft als erster am ausgemachten Treffpunkt (überdimensionierter Aschenbecher am Ein-/Ausgang der U-Bahnstation) ein. Genervt von der untergehenden Sonne, deren lästiges Licht lange Schatten ins Innere der Stationshalle wirft, zündet er sich ein bis zwei Zigaretten an und wartet auf den Rest der Sippe. Dabei verfällt der Teamchef in Gedanken an den Winter als...

Rückblick:
An dieser Stelle sollten ein paar Worte zur Erklärung gesagt werden. Die Minigolf Familie hat sich bis zu diesem Tage seit gut einem halben Jahr nicht mehr zusammengefunden. Nachdem im vergangenen Winter Irinas Depressionen immer stärker zu Tage getreten und Molles Alkoholsucht zur ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben des restlichen Teams geworden war, hatten die Eltern letztlich mit ausreichend Beruhigungsmitteln im Blut ganz vernünftig entschieden, sich bis auf weiteres zunächst einmal räumlich zu trennen und den gemeinsamen Haushalt in der hübschen Innenstadtwohnung aufzugeben. Um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, beschlossen beide, die heimelige Wohnung zu verlassen und rieten im Zuge dessen auch den Kindern, sich nach einer neuen Bleibe umzusehen. Molle bezog ein Zweizimmer-Schnäppchen in einem Boborandbezirk, das er sich de facto aber von Anfang an nicht leisten konnte. Irina konnte einen Platz in der städtisch geförderten "Wohngemeinschaft für alleinstehende und/oder psychisch beeinträchtigte Mütter" ergattern und lebt nun in einer WG mit drei weiteren jungen Frauen in einem durchwegs baumreichen Außenbezirk. Um die Fehler der Elternegeneration von vornherein zu vermeiden, entschieden auch Klaschenka und Kolja lieber gleich in getrennte Wohnungen zu ziehen. Kolja zog es in die Nähe des Vaters - mit dem Unterschied, dass er nun tatsächlich in einer Luxushütte inmitten der angesagten Szeneviertel seine Zelte aufgeschlagen hat (natürlich lebt auch er über seine Verhältnisse). Klaschenka blieb entgegen ihres Naturells bescheiden und nahm sich gemeinsam mit Teamkater Ivan eine gemütliche Wohnung im Süden der Stadt - nicht die allerbeste Lage, aber auch nicht das Tor zur Vorstadthölle.
Zur Klärung der Fronten, zur Aufarbeitung schwerer sportlicher Niederlagen sowie zu Selbstfindungszwecken (vorwiegend der Mutter) einigte sich die Familie darauf, sich einige Zeit lang aus dem Weg zu gehen. (Klaschenka und Kolja, die grundsätzlich nichts von dieser Idee hielten, trafen sich in den Monaten der "Auszeit" natürlich heimlich.) Zur Herbstsaison-Eröffnung wollte man sich dann jedenfalls am 6. August zu einem Auftaktspiel wiedertreffen und über die versöhnlichen Bande des Sports in entspannter Atmosphäre wieder zu einander finden - wenigstens als Minigolf-Team.

... als diese Schlampe das letzte Bier aus dem Kühlschrank genommen und es demonstrativ aus dem Fenster gekippt hatte. Molle zieht heftig an seiner Zigarette und murmelt unverständliche Sätze in einer Art Dänisch? Schwedisch?
"Servas!" Da kommen die Kinder, der Vater begrüßt sie auf üblich herzliche Weise. Klaschenka verdreht die Augen und hat schon wieder die Schnauze voll, Koljas Augen strahlen - er freut sich den Papa zu sehen. "Wir müssen noch auf die Mama warten, die kommt halt immer zu spät." Molle gibt sich betont lässig. Tatsächlich dauert es dann noch etwa eine Viertelstunde, dann ist die Famile, das Team, nach langer Zeit wieder an einem Ort vereint.
Zunächst weiß niemand so recht, was gesagt werden könnte, um die offenbar angespannte Atmosphäre aufzulockern. Also machen alle, woran sie gewöhnt sind: Mama und Papa gehen voran in Richtung Minigolfbahn, die eingebettet und recht versteckt in der weitläufigen Parkanlage angesiedelt ist. Die Kinder schleichen hinterher. Klaschenka zieht ihren Flachmann aus der Tasche und bietet zur Auflockerung im Gehen allen einen Schluck Vodka an. Nach der kurzen Stärkung beschleunigen die vier ihre Schritte und versuchen noch vor Einbrechen der Dunkelheit die Minigolfanlage zu erreichen. "Ein Spiel machen wir auf jeden Fall", mahnt Molle und treibt die anderen an.
Auf dem Weg durch den Park kommt die Minigolf-Familie an einem Pavillion vorbei, in dem gerade eine Boogie-Woogie-Tanzveranstaltung stattfindet. Irina ist verzückt und drängt darauf, kurz zu verweilen. Die anderen Teammitglieder stöhnen und drängen auf das Minigolfspiel. Doch Irina lässt sich nicht abbringen. "Ein Bier könnten wir hier wenigstens trinken. Papa spielt sowieso lieber, wenn er ein bisschen was intus hat." Klaschenka nickt. Kloja verdreht die Augen und hofft auf die Durchsetzungskraft des Vaters. Dieser jedoch - zu seinem Nachteil halbwegs nüchtern - ist auf Harmonie bedacht und gewährt seiner Frau anlässlich des Wiedersehens ihren Wunsch.
Die Familie setzt sich nebeneinander auf eine leere Bierbank vor dem Pavillion und Molle gibt für jeden eine Flasche Bier aus. Irina trinkt einen kräftigen Schluck, atmet tief durch und wippt beschwingt zur Musik mit. Alle anderen langweilen sich.
Unnötig zu erwähnen, dass es inzwischen natürlich dunkel und ein Minigolfspiel de facto unmöglich geworden ist. Doch Teamchef Molle will sich nicht umsonst aus seinem Zwei-Zimmerloch geschleppt und ein sauberes Hemd angezogen haben. Nachdem alle ihr Bier geleert haben, treibt er die Familie neuerlich an und schreitet voran in Richtung Minigolfbahn. Gerade noch rechtzeitig bevor die Anlage schließt, bezahlt Molle die erforderlichen Gebühren und komplimentiert das Team zum ersten Loch.
In völliger Dunkelheit beginnt die Minigolf-Familie ihr Wiedersehens- und Herbstsaison-Auftaktspiel. Bahnbeleuchtung gibt es keine, was die Bedingungen als "erschwert" bezeichnen lässt. Doch Molle ist nicht auf den Kopf gefallen, er verlangt die Aushändigung sämtlicher Mobiltelefone von den Familienmitgliedern und leuchtet den Spielenden den Weg. Zu Beginn scheint die Taktik tatsächlich aufzugehen - noch bei Bahn vier hat niemand seinen Ball verloren oder den Schläger des anderen über den Kopf gezogen bekommen. An der achten Station schließlich, Klaschenka hat ihren Flachmann geleert und ordentlich einen im Tee, muss das Team auf einen kleinen Erdhügel steigen und von dort aus abschlagen. Beim Aufstieg schon zeigen sich bei jedem einzelnen mehr oder weniger große Schwierigkeiten angesichts des tatsächlich mehr als fahlen Lichts der Handys. Irina schlägt als erste ab und verschwindet daraufhin im Dunkel, danach Kolja, dann Molle. Zuletzt versucht Klaschenka ihren Ball durch die Nacht ins Loch zu brettern, daraufhin wird auch sie von dem Schwarz der Minigolfanlage aufgesogen und ist nicht mehr zu sehen. Die Familie verständigt sich nur noch über Zurufe, während sich gleichzeitig ein Handyakku nach dem anderen verabschiedet und das Licht der modernen Technologie erlischt. Mit dem Herzen einer Mutter kämpft Irina darum, durch ständiges Ausstoßen fürsorglicher bis verzweifelter Laute ihre Familie zusammenzuhalten. Sie drängt die Kinder dazu, auf jeden Ruf mit einem Wiederruf zu antworten, um sicherzustellen, dass niemand verloren geht. Auch Molle soll das so machen. Auch Molle macht das so. Mit einiger Mühe scheinen sich alle vier wieder aneinander anzunähern und den Weg zur nächsten Bahn zu finden. Doch dann plötzlich - Klaschenka und Kolja sind sich bereits überglücklich in die Arme gefallen - bleibt der Ruf der Mutter aus. "Ist dir die Luft ausgegangen, hä?" Molle stolpert in seine beiden Kinder, die ihn gerade noch vor einem Sturz bewahren können. "Jetzt sagt sie nix mehr, die Mama." Molle lacht seinen aufgestauten Ärger aus. Klaschenka und Kolja nehmen einander an den Händen und beginnen besorgt nach der Mutter zu rufen. Molle lacht. Klaschenkas Herz rast, Kolja versucht den Vater zum Schweigen zu bringen, indem er ihm Zigaretten in den Mund stopft. Molle lacht noch lauter.
Keine Spur von Irina. Die Mutter ist im Dunkel der Minigolfanlage ganz plötzlich einfach verschwunden. Was mag nur geschehen sein? Hat sich die besorgte Mama am Ende selbst verlaufen? Wurde sie Opfer eines Verbrechens oder hat gar Molle seine Hände im Spiel? Und warum zur Hölle lacht der besoffene alte Trottel so hysterisch?

... wie es weitergeht und warum Boogie-Woogie kein Minigolf-Ersatz sein kann, erfahren wir in der nächsten Folge von "The Minigolf Family".

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