theminigolffamily

Eine moderne Soap-Opera um eine junge Großstadtfamilie, die sich ganz und gar einer elitären und unterschätzten Sportart verschrieben hat. Rund um den Lebensmittelpunkt Minigolf erleben die vier Hauptcharaktere Vater, Mutter, Tochter und Sohn den ganz normalen Wahnsinn des 21. Jahrhunderts.


Freitag, 30. Mai 2008

1.6 Der goldene Schuss

Ort: Berlin, Zoologischer Garten
Zeit: Dienstag, 20. November 2007, 02.20 Uhr

Seit mehreren Stunden sitzen, hocken, liegen und kriechen die Familienmitglieder wortlos vor dem Bibergehege im Berliner Zoo. In einiger Entfernung, im Wildtierpark, hat vor wenigen Minuten der letzte feiernde Gast die Aftershowparty der
alljährlichen Herbstmeisterschaft im Crossover-Nature-Minigolf Kategorie Speziell-Spezial verlassen und ist sturzbetrunken nach Hause getorkelt. Ohne das Beisein des Minigolfkombinats, das aufgrund der erschreckenden Ereignisse (insbesondere ist damit Molles seltsame animalische Verwandlung gemeint) nicht am Turnier teilgenehmen konnte, hat sich um ca. Mitternacht das schwedische Amateurteam "Molger" aus Uppsala in der Endrunde gegen den norditalienischen Verein "Farfalla" durchgesetzt und den Sieg eingefahren. Doch davon haben die Familienmitglieder nur wenig mitbekommen, zu tief saß und sitzt der Schock, zu viel Alkohol hat sich in das Blut der vier gemischt. Seit Stunden ist kein Wort mehr gefallen, die Situation scheint wie ein surreales Fernsehstandbild eingefroren. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.
Nach einem kurzen Nickerchen rappelt sich gegen halb drei Uhr morgens Klaschenka schließlich ein wenig hoch und wirft einen Blick auf den Vater. Molle ist inzwischen völlig zu einem übergroßen Biber mutiert und nagt im Halbschlaf an einem kleinen kargen Ästchen. Neben ihm, in einiger Entfernung, sitzt ein kleines Bibermädchen (jenes wohl, von dem Molle zuvor so geschwärmt hatte) und blickt ihn in verträumt an. "Papa, Papa? Ich kann nicht mehr. Der Vodka ist leer und ich... es tut mir leid, das ist zu krass. Ich muss hier weg." Klaschenka wartet auf eine Reaktion des Vaters, doch dieser scheint die Worte seiner Tochter überhaupt nicht wahrzunehmen. Nach und nach kommt auch wieder etwas Leben in Mutter und Sohn. Irina steht auf und tritt an Molle heran, Kolja krabbelt auf allenVieren zu seiner Schwester und klammert sich an ihren Rücken. "Kinder, ich glaube, euer Vater ist verloren. Seht ihn euch an. Es gibt nichts, was wir noch für ihn tun können. Ich lass mich scheiden. Ich lass mich scheiden!" Irinas Entschluss scheint in Stein gemeißelt, aber eigentlich kümmert das zu diesem Zeitpunkt niemanden. "Was sollen wir machen? Ich bin sehr müde, ich möchte nach Hause, aber was sollen wir mit Papa nur machen? Er reagiert nicht mehr auf uns, sollen wir ihn einfach hier zurücklassen?" Klaschenka schaut erwartungsvoll und hilflos in die Augen der Mutter. "Ich weiß es nicht. Aber ich sag dir was: Ich scheiß drauf!" Irina brüllt auf Molle hinunter, der vor ihren Füßen liegt und sich weiterhin nicht rührt. Dann herrscht wieder minutenlange Stille. "Die wichtigste Frage ist doch - was wird aus dem Kombinat?!" Kolja überrascht plötzlich mit einer abgeklärten und ungewohnt harten Frage. Irina und Klaschenka schauen ihn vorwurfsvoll an, keine der beiden kann nachvollziehen, wie der Bua (so nennen ihn die anderen Familienmitglieder hinter seinem Rücken, wenn sie sich über ihn lustig machen - insbesondere über seine kindlichen und kaufsüchtigen Charakterzüge) in so einem Augenblick derart kaltherzige Aussagen treffen kann. Klaschenka scheint besonders angewidert von Koljas Frage, schüttelt sich und stößt ihn von sich weg. Irritiert ringt er mit dem Gleichgewicht, springt mit einem Satz hoch und tritt ebenfalls an Molle heran, der - herrjeh keine Überraschung - weiterhin reaktionslos auf dem Boden liegt und im Halbschlaf sein Holz kaut.
"Ich weiß die Lösung", brüllt Kolja plötzlich, tritt dem Vater mit dem Fuß auf dessen wundersam gewachsenen buschigen Biberschwanz und funkelt Mutter und Schwester mit blitzenden Augen an. "Wir holen den Alten jetzt aus seinem verfluchten Schlummerschläfchen, gehen da rauf (zeigt mit dem Arm in Richtung Wildtiergehege) und spielen. Verliert dieser Freak gegen einen von uns, ist er raus. Wir lassen ihn hier zurück und werden das Team neu organisieren. Ende der Durchsage!" Selbstzufrieden stützt sich Kolja die Arme in die Seite und schaut die anderen erwartungsvoll an. "Ok, abgemacht. Schluss mit der Freakshow, Schluss mit den Mätzchen. Der alte Sack hats zu weit getrieben, schaut, wo wir gelandet sind. Ich lass mich scheiden." Irina ist offenbar von der Idee angetan. Klaschenka wendet sich besorgt zum Vater hin, mustert seine traurige Erscheinung und nickt schließlich wortlos.
Mit einiger Anstrengung gelingt es den dreien, Molle aus seinem Schlaf zu wecken. Nachdem Irina ihm schließlich sein Ästchen entrissen hat, unterbreitet Kolja dem Vater seinen Vorschlag. Molle, der zwar nicht ganz zu verstehen scheint, aber doch den Ultimatum-Charakter von Koljas Plan begreift, stimmt zu und setzt sich langsam mit den anderen in Richtung Minigolfanlage im Wildtiergehege in Gang. Einige Meter hinterher, im Schutz der Dunkelheit folgt auch das kleine Bibermädchen. Geleitet vom November-Mondlicht dauert es nicht lange und die Familie erreicht die erste Bahn. Noch-Teamchef Molle soll wie üblich beginnen und setzt zum ersten Abschlag an. Unbeholfen und noch etwas unkoordiniert aufgrund seiner neuen physiologischen Beschaffenheit misslingt der Schlag natürlich. Molle pfeffert den Ball weit am eigentlichen Ziel vorbei, hinaus in das Dunkel, wo hinter lächerlich niedrigen Zäunen die Hirschfamilien schlafen. Kolja grinst, wirft einen fast teuflischen Blick in die Runde und legt siegessicher einen Traumstart hin. Irina und Klaschenka spielen halbherzig mittelmäßig, bleiben aber dennoch vor dem mit sich kämpfenden Vater voran. Bis knapp über die Hälfte der Spielzeit ändert sich wenig: Kolja liegt deutlich voran, Molle versucht mit Mühe zumindest seinen Biberschwanz aus dem Weg zu räumen und sich nicht ständig selbst mit dem Schläger eins auszuwischen. Nach einem weiteren Katastrophenschlag verliert er schließlich die Nerven, schleudert Ball und Schläger ins Dickicht und setzt sich entkräftet neben der 13. Bahn auf den Boden. "Feigling! Freak! Spiel! Spiel das Ding zu Ende!" Kolja entfremdet sich immer mehr von seiner sonst so zurückhaltenden, eingeschüchterten Art. "Wenn ich hier heute gegen dich gewinne, dann wird es ein ehrenvoller Sieg sein. Ein Sieg unter Männern!" Doch Molle kann nicht mehr, wimmert und bibbernd hockt er auf der Erde und will aufgeben. Da platzt der Sohn vollends, nimmt Schläger und Ball zur Hand, stellt sich zur Abschlagmarkierung und zielt...
"Und zaaaaaaaaaaack!" Kolja brüllt. Punktgenau und mit einer Wucht, die einen Stier niederstrecken könnte, trifft der Ball den Vater auf den Kopf - genau zwischen die fellumwachsenen Augen. Molle stößt ein trillerndes "Iiiiinnnng" aus, kippt nach hinten und bleibt ausgestreckt liegen. Die anderen (auch Kolja scheint überrascht und sorgenvoll) eilen zu ihm hin, schauen auf den Vater hinunter und entdecken ein wohlgeformtes Loch auf seiner Stirn, aus dem wasserfallartig dunkles Blut fließt. "Möööööörder!" Klaschenka schreit und schlägt mit beiden Fäusten auf den Bruder ein. Irina verzieht das Gesicht und wendet sich von Molle ab. "Mein Sohn, das war ein Treffer. Ein goldener Schlag." Verwundert über die eigenen Worte fast sich die Mutter an den Kopf und versucht sich offenbar den Schmerz eines solchen Einschlagloches vorzustellen. "Mööööörder! Du hast ihn umgebracht! Du hast den Papa umgebracht!" Klaschenka scheint kurz davor durchzudrehen und brüllt so laut, bis ihre Stimme versagt. Dann wirft sie sich wortlos zu Boden, mitten in das frische Blut, das unaufhaltsam aus Molles behaarter Stirn fließt. Kolja steht reglos da, unfähig das Ausmaß seiner Tat zu begreifen und sinkt schließlich auch auf die Knie.
Es ist totenstill, keines der Familienmitglieder bewegt sich. Die Blutlache weitet sich aus und ergießt sich über die 13. Bahn. Aus einiger Entfernung hört man ein trauriges Wimmern. Es ist das Bibermädchen, das versteckt hinter einem kleinen Strauch dem Treiben die ganze Zeit über zugesehen hat.

Ist das wirklich Molles Ende? Hat Kolja einen Vatermord begangen oder kann deus ex machina noch einmal den Tod abwenden? Warum können Schweden so gut minigolfen und haben sie am Ende gar den Boogie-Woogie ins Spiel gebracht? Wird Irina tatsächlich Erik den Lackschuhmann heiraten und wie kann Klaschenka Kolja jemals den Anschlag auf den Vater verzeihen? Diesen Fragen wird auf den Grund gegangen, wenn es wieder Zeit ist für: The Minigolf Family


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